MILCH-EIER-MEHL Alles was Arbeit macht
Herr Dobriban, Ihr Lebensthema ist das Kochen, Zubereiten von Lebensmitteln auf allen Ebenen. Was wollen Sie den Studierenden mit Ihrem Seminar vermitteln?
DOBRIBAN: Ja, was hat Kochen mit Architektur zu tun. Beides bringt etwas hervor, was wir Menschen brauchen: Nahrung und etwas um uns herum, das uns (be)schützt: Häuser, Gebäude. Wir beschäftigen uns mit den elementaren Bedürfnissen des Menschen und deshalb sind wir zu größter Verantwortung und Sorgfalt verpflichtet.
Im Geschmack bündeln sich Spuren von Handlungen. Wie wir uns die Welt einverleiben, zeigt unseren Blick auf die Welt. Kochen als älteste überlebenswichtige Kulturtechnik des Menschen ist eine Metapher für unseren Umgang mit den Dingen. Von hier nimmt alles seinen Ausgang.
Von daher geht es erst einmal darum, Erfahrungen mit dem Material zu sammeln, ein Gefühl dafür zu entwickeln. Milch, Eier, Mehl sind die Grundlage vieler Speisen, es haben sich tausende Variationen entwickelt, die je nach Verarbeitungstechnik zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen. Beim Kochen kommt niemand drum herum, mit den Händen zu arbeiten und eine konkrete, praktische Erfahrung zu machen. Außerdem macht man die Dinge von Anfang bis zum Ende und bekommt eine direkte Reaktion auf seine Handlungen. Man muss wissen, wie Dinge funktionieren und darf sich nicht nur auf die anderen verlassen. Man darf nicht alle Entscheidungen aus der Hand geben. Also ich biete hier an, den Umgang mit Material zu erfahren und zu reflektieren.
Sie machen das ja schon Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, das Sie in Gruppen
bzw. mit Gruppen zusammen kochen. Stellen Sie bei der jüngeren Generation
Veränderungen im eigenen Ess- oder auch Kochverhalten fest?
DOBRIBAN: Es ist eine Tendenz da, sich von den Dingen zu entfernen. Von allem wird sich distanziert. Die Nähe zu den Dingen, die uns umgeben und aus denen wir ja auch bestehen, sucht man überhaupt nicht mehr, obwohl doch unsere Existenz darauf basiert. Im Moment sehe ich eher eine Welt, die aus Abbildern besteht. Sie lernen viele Dinge nur noch als Abbild kennen. Auch in der Ausbildung lernen Sie nicht die Welt, sondern eine abstrahierte Form von Zeichen kennen, durch die Sie die Welt gar nicht begreifen können. Begreifen heißt ja auch tatsächlich anfassen. Zwei Beispiele aus der Welt der Küche und aus der Welt der Architektur: eine Tütensuppe und ein Laminatboden. Das ist genau das Gleiche. Beides ist ein Abbild von dem, was es ursprünglich meint. Diese Abbilder enthalten noch nicht einmal mehr die Substanz, auf die sie sich beziehen: Die Tütensuppe besteht aus Farb-, Füll- und Geschmacksstoffen, Laminat besteht nicht aus Holz, sondern ist das Foto von einem Holz. Man beraubt die Dinge ihrer Substanz und täuscht etwas vor. Da wird im Moment ein Großteil des gesellschaftlichen Potentials hineingegeben und die Leute arbeiten daran, andere zu täuschen. Ich habe nicht so viel theoretisch darüber gesprochen, sondern versucht, dem eine direkte Erfahrung entgegenzusetzen. Analysiert wird ja überall. Wenn Sie die Dinge tun, ist das eine Erfahrung, die auch der Körper macht und nicht nur der Geist. Natürlich ist die Verbindung von beidem am schönsten. Aber wenn das Körperliche immer zu kurz kommt, muss man ein Gegengewicht setzen und das mache ich in meinen Seminaren. Es geht also weniger darum, das Ess- oder Kochverhalten der Studenten zu verändern, sondern unser Verhältnis zu den uns umgebenden Dingen erfahrbar zu machen. Wenn man Zeit, Arbeit und Sorgfalt auch in einfachste Materialien investiert, bekommt man hervorragendeErgebnisse und beim Essen können Sie das sofort schmecken. Es gibt eine körperliche Reaktion. Auch die Architektur braucht Achtsamkeit auf die Reaktionen, Ansprüche und Bedürfnisse des menschlichen Körpers. Dies auf vielfältige Weise in den Blick zu nehmen, ist m.E. wichtiger Bestandteil des Studiums. Auf der sinnlichen Ebene hat das gut funktioniert, wie man den Statements der Seminarteilnehmer entnehmen kann. Die Übertragung auf den eigenen Arbeitsbereich braucht wohl noch mehr Zeit und Erfahrung.
INTERVIEW: ARPAD DOBRIBAN, Künstler ÜBER: Seminar im WS und SS 09 / 10